Porträt/Interview: 1 Jahr Bundestag – Amberger Zeitung

28. November 2022

Porträt:

Susanne Hierl: Schwarze Hoffnungsträgerin im Wahlkreis Amberg

Karriere hat Susanne Hierl schon vor ihrem Einzug in den Bundestag gemacht. Dennoch wagte die Neumarkterin bewusst den Neuanfang in Berlin. Nach einem Jahr bereut sie den Schritt nicht. Und auch ihre CSU scheint auf die Juristin zu bauen.

Länger nachdenken und abwägend antworten? Passt nicht zum Bild von Politkern oder Politikerinnen – erst recht nicht für die von der CSU. Susanne Hierl macht es im Gespräch trotzdem immer wieder so. Natürlich ist die 49-Jährige mit ihren politischen Positionen auf Linie der Partei, für die sie seit September 2021 im Bundestag sitzt. Vom manchmal hemdsärmlichen Selbstbewusstsein der Miasan- mia-Partei ist bei Hierl aber weniger zu bemerken. Beinahe nachdenklich kommen ihre Antworten häufig daher.

Dieses Auftreten ist nicht das einzige Alleinstellungsmerkmal der Frau aus Berg im Landkreis Neumarkt. Ungewöhnlich ist auch ihr Lebenslauf, mindestens für die CSU, der man ja nachsagt, dass Frauen dort vor allem für Service und Kuchenbuffet beim Sommerfest im Ortsverband wichtig sind. Die Juristin Hierl hat dagegen Karriere bei der Wirtschaftskanzlei Rödl und Partner gemacht. Bis zum Wechsel in den Bundestag führte sie dort eine Abteilung, hatte es bis zur Partnerin gebracht. Ihr Ehemann kümmerte sich derweil um Haushalt und Erziehung der heute 19 und 17 Jahre alten Kinder.

„Grüner“ Familienentwurf

Trotz dieses eher „grünen“ Familienentwurfs bauen die Schwarzen auf die Oberpfälzerin. Die 45 CSUAbgeordneten in Berlin haben Hierl direkt zu einer der Stellvertreterinnen von Landesgruppen-Boss Alexander Dobrindt gemacht. Bisher habe noch nie ein Neuling einen Stellvertreter-Posten übernommen, erzählt Hierl. „Alexander Dobrindt war es wichtig, auch den Blickwinkel von uns Neuen einfließen zu lassen.“ Dass ihr die Partei eine Menge zutraut, lässt sich auch aus anderen Details lesen. Im Rechtsausschuss bearbeitet Hierl die Neugestaltung des Transsexuellengesetzes, das die Ampel-Koalition zum Selbstbestimmungsgesetz umbauen will. Auch wenn von dem Ampel-Plänen bisher nur Eckpunkte bekannt sind: Das Thema hat gesellschaftliche Sprengkraft und wird auch für eine CSU Bedeutung haben, die konservativ, aber nicht altbacken und ewiggestrig sein will.

Enquete für Afghanistan

Susanne Hierl erzählt, dass sie sich die vergangenen Monate eingearbeitet, mit Ärzten, Psychologen, Betroffenen gesprochen hat. Ihre Einschätzung? Abwägend. „Ich versuche, das Thema bis zum Ende zu denken.“ Dabei zeige sich, dass die Ampel-Pläne für Komplikationen sorgen dürften. Eine Diskussion um eine Frauen-Quote werde etwa überflüssig, wenn das Geschlecht als Kategorie völlig beliebig würde, sagt Hierl. „Ich habe mit dem Begriff Selbstbestimmungsgesetz ein Problem, weil niemand sein Geschlecht wirklich selbst bestimmt“, sagt Hierl. Aber sie sagt auch, dass sie die Notlage der betroffenen Menschen nachvollziehen, die Unzufriedenheit mit Details des aktuellen Gesetzes verstehen kann. Zum Posten im Justizausschuss kommt für Hierl ein weiterer mit Medienpräsenz: Als Teil der Enquete- Kommission „Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands“ soll sie den Bundeswehreinsatz aufarbeiten. Außerdem sitzt sie im Unterausschuss für Auswärtige Kultur, ist dort für deutsche Schulen im Ausland zuständig. „Meine Bandbreite im Bundestag ist wirklich riesig“, sagt sie. Im alten Job sei sie Expertin in einem sehr speziellen Teilbereich gewesen, erzählt Hierl von ihrer früheren Arbeit, bei der sie Unternehmen beim Gang ins Ausland betreut hat. Wenn Hierl erst von ihrer neuen und dann von der alten Arbeit spricht, klingt dass so, als könnte sie sich schon jetzt eine Rückkehr kaum mehr vorstellen. Wäre es nach Hierl gegangen, wäre der Schnitt noch deutlicher ausgefallen. Der Posten im Justizausschuss klingt für eine Juristin logisch, war aber nicht erste Wahl, gesteht Hierl: „Haushalt und Aus Auswärtiger Ausschuss“ habe sie angegeben, als sie in der Fraktion nach ihren Wünschen gefragt wurde. „Für eine Neue war das schon vermessen“, sagt Hierl über die Ambitionen auf die wohl prestigeträchtigsten Ausschüsse des Parlaments. „Ich habe aber auch gesagt, dass ich jede Aufgabe als meine annehme.“

Die Arbeit an den großen Themen mache ihr tatsächlich Spaß, ihre Hauptaufgabe sehe sie aber im Wahlkreis Amberg/Neumarkt, für den sie als Direktkandidatin gewählt wurde. Als Gemeinderätin kenne sie die Sorgen vieler Bürgermeister, als Wirtschaftsjuristin die der Unternehmer. Sie habe nicht den Eindruck, dass die Ampel-Koalition erfasst habe, wie Handwerker und Mittelständler gerade unter der Energiepreisexplosion gerade leiden müssen. Wie lange die Koalition hier untätig war, mache sie wütend, sagt Hierl und klingt dann doch wie eine CSU-Politikerin. Zwischen Ausschuss- und Wahlkreisarbeit ging es in den vergangenen 13 Monaten dann noch darum,  in Berlin anzukommen. Immerhin konnte sie das Team ihres Vorgängers Alois Karl zu großen Teilen übernehmen. Im Frühjahr bezog sie eine Zweitwohnung in der Hauptstadt. „Das aus dem Koffer leben war nicht meine Welt“, sagt sie über das halbe Jahr im Hotel. 25 Minuten dauert nun der Fußweg vom Reichstag. „Eine gute Zeit, um run runterzukommen.“ Viel mehr als diesen Weg habe sie von Berlin bisher nicht gesehen. Für Privates bleibe einfach keine Zeit. Immerhin gibt es dafür aber nun Pläne: An Silvester möchte Hierl den Vorteil „eigene Wohnung in Berlin“ erstmals auch privat nutzen.

Quelle: Amberger Zeitung 26.11.2022, S. 2.

Kurz-Interview:

Was hat die Oberpfalz, was Berlin nicht bieten kann?

Die CSU.

Über welche Ihrer Pannen als Bundestags-Neuling können Sie heute schmunzeln?

Anfangs habe ich bei den Raumanzeigen Stockwerke mit Gebäudeteilen verwechselt, und stand dann gerne einmal vor dem falschen Raum. Ich höre aber auch von Kollegen, die noch nach Jahren manche Räume erst nach langem Suchen finden.

Wie lief Ihre erste Rede im Bundestag?

Gemessen an meiner Nervosität lief es ganz gut, meine ich. Ich war aber gut vorbereitet, denn im Vergleich zu anderen Reden war ausreichend Zeit, um die Rede zu üben.

Ein Touri-Tipp für Berlin, der in keinem Reiseführer steht?

Leider hat meine Zeit bisher noch nicht gereicht, um Berlin umfassend zu erkunden. Mein Lieblingsort ist die Dach-Terrasse des Bundestags mit der Kuppel – kein Geheimtipp, aber immer schön.

Haben Sie in einer Debatte einmal mit jemandem übereingestimmt, mit dem Sie nie gedacht hätten, einer Meinung zu sein?

Ich habe bei einer Rede von Anke Domscheit-Berg (LINKE) geklatscht. Sie hat in diesem Fall klug und pointiert das Versagen des FDP-Digitalministers Volker Wissing beim Internet-Ausbau aufgezeigt.

Wie viele Abwesenheitstage hatten Sie?

Ich hatte eine Corona-Infektion im September, da musste ich mich in häusliche Quarantäne begeben. Ansonsten war ich immer anwesend.

Gibt es eine Abstimmung, die Sie verpasst haben, an der Sie gerne teilgenommen hätten?

Während meiner Corona-Infektion fanden an einem Tag gleich sechs Abstimmungen mit Anwesenheitspflicht statt. Da alle Abstimmungen wichtig sind, ist es immer ärgerlich, wenn man nicht anwesend ist.

Das Interview führte Wolfgang Würth. Quelle: Amberger Zeitung 26.11.2022, S. 2.


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