Sommerinterview – Neumarkter Tagblatt

von hierl

16. August 2024

Auch mit dem Neumarkter Tagblatt habe ich ein Sommerinterview geführt. Fokus war neben der Bundespolitik auch meine Einschätzung zu Infrastrukturprojekten im Wahlkreis. Das Interview führte Wolfgang Endlein.

Frau Hierl, die meisten verbinden Bundespolitik und den Bundestag mit den heißen, großen politischen Themen. In der täglichen Arbeit im Parlament geht es oft um solche, die weniger im Blickpunkt stehen.

Womit waren Sie in den vergangenen Monaten beschäftigt?

Hierl: Die Enquete-Kommission zum Afghanistan-Einsatz ist das, was mich die ganze Zeit begleitet hat.

Was macht die Kommission?

Hierl: Im Gegensatz zum Untersuchungsausschuss, den es auch noch gibt, beschäftigen wir uns mit der Frage: Wie wurde der vernetzte Ansatz gelebt?

Was ist der „vernetzte Ansatz“?

Hierl: Wie haben das Auswärtige Amt, das Verteidigungsministerium und das für Entwicklungszusammenarbeit zusammengewirkt. Was war gut, was war schlecht? Es geht darum, was Deutschland in Zukunft bei solchen Einsätzen anders machen müsste.

Und was ist das bisherige Ergebnis?

Hierl: Berlin hat den Ansatz nicht vorgelebt. Die Ministerien haben jedes für sich Entscheidung getroffen und die Verantwortlichen vor Ort in Afghanistan haben dann versucht, das Beste daraus zu machen.

Werden Sie jetzt zur Sicherheitspolitikerin?

Hierl: Nein.

Haben Sie Ihr Politikfeld gefunden, auf dem Sie sich im Bundestag etablieren wollen?

Hierl: Ich sitze im Rechtsausschuss und habe mir dort insbesondere das Feld Familienrecht erarbeitet. Was mich sehr reizt, ist die Entwicklungszusammenarbeit.

Im Haushalt hat die Regierung die Gelder dafür gekürzt.

Hierl: Ich weiß, überall fehlt das Geld, und wir müssen priorisieren. Aber ich bin überzeugt, dass wir damit andernorts Probleme lösen könnten, bevor sie zu uns kommen. Politisch ist Entwicklungshilfe aber nicht sexy.

Die Radwege in Peru stehen fast schon sprichwörtlich für den Verdacht mancher, es werde Geld ausgegeben, das besser im Inland investiert wäre.

Hierl: Die Radwege sind mein Lieblingsthema. Wir sind keine Insel und können sagen: „Uns kümmert es nicht, was um uns herum passiert“. Themen wie Umwelt- und Klimaschutz betreffen uns alle. Dafür müssen wir in Deutschland etwas machen. Aber wir können auch im Ausland etwas tun und teils mit wesentlich viel weniger Geld als bei uns größere Effekte erzielen. Das ist auch ein vernünftiger Einsatz von den uns anvertrauten Steuermitteln.

Kommen wir zum Landkreis. Welche Themen haben Sie mit nach Berlin genommen?

Hierl: Es gab viele Themen, die die Menschen sehr beschäftigt haben. Beispielsweise die Diskussion, ob Holz als erneuerbare Energie eingestuft wird oder nicht. Ich war bei etlichen Gesprächen, bei denen es darum ging, was man machen kann. Die Bundesregierung hat schließlich–entgegen ihren ursprünglichen Plänen – Holz als grünen Rohstoff doch im Gebäudeenergiegesetz aufgenommen. Wir haben also was erreicht. Ansonsten habe ich viele Themen, bei denen ich versuche, Vertreter aus der Region mit höheren Ebenen zusammenzubringen und zu vernetzen.

Beispielsweise?

Hierl: Bundesstraßen und Autobahnen sind so ein Beispiel. Ich bringe Bürgermeister und Behörden wie das Staatliche Bauamt und die Autobahn GmbH zusammen an einen Tisch.

Was sind weitere Themen, die Bürger anbringen?

Hierl: Die Themen Pflege und Gesundheit tauchen auch immer wieder auf. Was mich ebenfalls bereits geraume Zeit beschäftigt, ist die mehrmonatige Sperrung der Bahnstrecke zwischen Nürnberg und Regensburg in 2026. Dazu haben wir schon viele Runden in Berlin gehabt, um zu schauen, wie das für die Bahnreisenden und Unternehmen gut geregelt werden kann. Ich versuche Anliegen aufzunehmen, in Berlin einzuspeisen und zu schauen, was geht. Aber natürlich ist das als Abgeordnete der Opposition etwas schwieriger.

In Ihrem Heimatort Berg haben die Bürger eine Umgehung abgelehnt. In Neumarkt gibt es Protest gegen den B299-Ausbau. Wie geht man als Politikerin damit um, dass neue Straßenbauprojekte bei Bürgern kaum mehr durchsetzbar sind?

Hierl: Es ist wie überall in der Politik: Viel sprechen und sich austauschen. Ich bin auch mit den Bürgerinitiativen in Kontakt. Der Bund gibt zwar das Geld, aber wir sind vom Bund aus gut beraten, uns nicht hinzustellen und zu sagen: „Wir wissen besser, was für Euch gut ist“. Das Staatliche Bauamt hält es so, dass es nicht weiter plant, wenn sich eine Gemeinde dagegen ausspricht. Aber wir müssen uns im Klaren sein: Wir werden immer Verkehr haben – selbst mit neuen Antriebsformen. In Berg bleibt der Verkehr, die Umgehung kommt hingegen nicht.

Wie muss es jetzt weitergehen?

Hierl: Ich fand es schade, dass es nach dem Bürgerentscheid Stimmen gab, die gesagt haben: „Der Gemeinderat weiß nicht, was die Bürger wollen“. Als Gemeinderätin sage ich: Je nachdem, wen sie gefragt haben, hat er ihnen eine andere Antwort gegeben. In Berg ist es außerdem nicht anders als in Berlin: Irgendwann muss die Politik eine Entscheidung treffen. Schwierig finde ich, wenn man gegen alles ist, aber selbst keine Lösung hat – und dann nach der Politik ruft, die eine Lösung bringen soll.

Was könnte die Lösung sein?

Hierl: Es gibt ein neues Gesetz, das mehr Tempo 30 auf Staatsstraßen ermöglichen soll. Aber ob das uns die Lösung bringen wird, glaube ich nicht. Das Gesetz wurde nicht so weit geöffnet, wie es sich die Kommunen gewünscht hätten. Und wir können in Berg keine Regeln für uns selbst erfinden.

Auf die B299 zurückzukommen: Sie sind für den Ausbau. Sie argumentieren, dass die Wirtschaft eine gute Verkehrsinfrastruktur brauche.

Hierl: Das ist das eine. Das andere sind die gefährlichen Stellen, die nach wie vor bestehen. Beispielsweise die Kreuzung bei Rittershof. Da muss was gemacht werden.

Wie geht man als Politiker damit um, dass Infrastruktur wie Straßen, Windräder oder Funkmasten von vielen gebraucht, aber vor der eigenen Haustür nicht gewollt werden?

Hierl: Man muss viel reden, um einen Ausgleich zu finden. Aber wir müssen uns alle ehrlich machen: Alles haben wollen, aber ohne die dafür nötige Infrastruktur, das geht nicht. Ich habe aber das Gefühl, dass die Menschen gerade beim Thema Energie mitziehen. Beim Verkehr habe ich das Gefühl nicht so.

Sie haben gesagt, dass man miteinander reden muss. Das aktuelle gesellschaftliche Klima scheint dem aber nicht förderlich zu sein. Spüren Sie das auch am eigenen Leib?

Hierl: Ich habe viele gesellschaftspolitische Themen auf dem Tisch. Da merke ich das schon, dass sich die Kultur dreht. In einem normalen Austausch bekommt man vom Gegenüber signalisiert: Über bestimmte Themen brauchen wir gar nicht sprechen, weil da fühle ich mich emotional berührt. Bei Besuchergruppen höre ich immer wieder: „Man darf ja seine Meinung gar nicht mehr sagen“. Dann frage ich nach: Verbietet der Staat Dinge zu sagen? Das ist nicht so. Oder kommt es aus der Bevölkerung selbst heraus? Ich glaube, das ist der Punkt. Es gibt einerseits immer mehr, die sich selbst zensieren. Andererseits aber auch jene, die glauben, dass sie alles sagen dürfen.

Was kann man tun?

Hierl: Ich weiß auch nicht, wie man wieder zum normalen Maß zurückkommt. Aber wenn man bestehende Unterschiede betont, bringt man die Gesellschaft schlecht zusammen. Wie meinen Sie das?

Hierl: In der gesellschaftspolitischen Diskussion wie beim Selbstbestimmungsgesetz geht es oft um exotische Fälle, beispielsweise von Familienkonstellationen, die nicht häufig vorkommen. Die muss die Politik im Blick haben. Aber die Ampel und die gesellschaftliche Diskussion stellen Minderheiten zu stark heraus.

Aber braucht es nicht Aufmerksamkeit gerade für Themen von Minderheiten, damit sich etwas ändert?

Hierl: Ja, aber man sollte nicht so einen Hype machen. Das führt nur dazu, dass die Betroffenen einen noch schwereren Stand haben. Meine Überzeugung ist, dass jeder Mensch richtig ist, so wie er ist. Dass einem Menschenfeindlichkeit und Intoleranz unterstellt wird, wenn man in einzelnen Punkten beispielsweise beim Selbstbestimmungsgesetz eine andere Auffassung vertritt, finde ich schade.

Die Bundestagswahl 2025 wirft ihre Schatten. Im Herbst bestimmt die CSU den Direktkandidaten im Wahlkreis. Gibt es Zweifel, dass der wieder Susanne Hierl heißen wird?

Hierl: Ich würde gerne weitermachen, wenn ich darf.

Heute verkündet das Bundesverfassungsgericht sein Urteil über die Wahlrechtsreform der Ampelkoalition. Wenn diese so käme, könnte es sein, dass Sie den Wahlkreis gewinnen, aber nicht in Berlin sitzen.

Hierl: Das könnte passieren.

Sie schauen also mit Spannung nach Karlsruhe?

Hierl: Natürlich. Ich hoffe, dass die Grundmandatsklausel bleibt. Was die Kappung der Direktmandate angeht, wage ich keine Voraussage.

Wenn das Gericht die Reform nicht im Sinne der Union kippt, haben Sie dann Sorge, dass es für die CSU und Sie eng werden könnte?

Hierl: Wir wissen, was wir zu tun haben: Einen guten Wahlkampf, in dem wir unsere guten Lösungen für die Menschen präsentieren. Wir müssen schauen, dass wir über die fünf Prozent kommen. Aktuell schaut es ganz gut aus.

Ein Kanzlerkandidat Söder könnte dafür ein Zugpferd sein.

Hierl: Das ist Spekulation. Im Herbst sehen wir, was wird.


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