Am vergangenen Dienstag (30. Juli 2024) hat das BVerfG sein Urteil zum von der Ampel beschlossenen neuen Wahlrecht gefällt. Zum wiederholten Mal kassiert das Verfassungsgericht in Teilen ein Gesetz der Ampel. In diesem Fall hat sie es in der Absicht verabschiedet, die Opposition aus dem Parlament zu drängen.
Zum wiederholten Mal in dieser Wahlperiode hat das Bundesverfassungsgericht den Plänen der Ampel einen Riegel vorgeschoben. Nach dem verfassungswidrigen Haushalt 2021 und dem Urteil zum Heizungsgesetz hat das höchste deutsche Gericht der Ampel erneut bescheinigt, dass sie die Verfassung gebrochen hat. Das geschah auch dieses Mal vorsätzlich. Die Streichung der Grundmandatsklausel durch die Ampelfraktionen war insbesondere gegen die CSU, aber auch DIE LINKE gerichtet. Das haben Ampelabgeordnete sogar öffentlich zugegeben. Diesem Versuch des Herausdrängens der Opposition aus dem Parlament hat das Bundesfassung für verfassungswidrig erklärt. Damit können wir auch 2025 bei einem klaren Wählerauftrag die besonderen bayerischen Interessen weiterhin mit Nachdruck in Berlin vertreten
I. Das neue Wahlrecht
Der Bundestag hat zu viele Abgeordnete. Darüber sind sich alle Fraktionen einig. Über den Weg zu einem kleineren Bundestag gab es jedoch unterschiedliche Meinungen.
Jedoch hat die Ampel nach einjähriger Beratung in einer Kommission ohne die Stimmen der Unionsfraktion das Bundeswahlgesetz am 08. Juni 2023 mit dem 25. Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes ein neues Wahlrecht beschlossen. Inhalt ist unter anderem, dass ein direkt gewählter Abgeordneter (Erststimme) ggf. nicht mehr in den Bundestag einziehen darf, sofern dieses Mandat nicht von den Zweitstimmen gedeckt ist (sog. Zweitstimmendeckung). Weiter hat die Ampel mit dem Wahlrecht die Grundmandatsklausel gestrichen, d. h. sollte eine Partei die 5%-Hürde nicht überspringen, kann sie auch durch die Erringung von drei Direktmandaten nicht in den Bundestag einziehen. Bezogen auf die letzte Bundestagswahl 2021 hätte das bedeutet, dass DIE LINKE keinen Sitz im Bundestag erhalten hätte. Als Unionsfraktion haben wir gegen das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt.
II. Das Karlsruher Urteil
Mit seinem Urteil vom 30. Juli 2024 hat das Bundesverfassungsgericht die Wahlrechtsreform der Ampel von 2023 in Teilen für verfassungswidrig erklärt. Zwar wurde die neu eingeführte Zweitstimmendeckung für mit dem Grundgesetz für vereinbar erklärt, nicht jedoch die 5 %-Sperrklausel in ihrer jetzigen Form (also ohne Grundmandatsklausel).
Das Zweitstimmendeckungsverfahren, also die Tatsache, dass ein direkt gewählter Abgeordneter ggf. nicht in den Bundestag einziehen darf, wenn die Direktmandate nicht von der Zweitstimme auf Landesebene gedeckt sind, hält das Bundesverfassungsgericht mit dem Grundgesetz für vereinbar. Die Reihenfolge der Zuteilung der Mandate erfolgt nach den Erststimmenanteilen. Bewerber der Landeslisten kommen nur dann zum Zuge, wenn alle Direktmandate vergeben sind und noch Plätze verbleiben. Die früher als Überhangmandate einziehenden Wahlkreiskandidaten werden zukünftig „gekappt“.
Dagegen ist die Beibehaltung der 5 %-Sperrklausel ohne Weitergeltung der Grundmandatsklausel mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Dies beeinträchtige den Grundsatz der Wahlgleichheit. Eine Sperrklausel in Höhe von 5 % sei weiterhin ein geeignetes Mittel zur Wahrung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages. Allerdings bemängelt das Bundesverfassungsgericht, dass es keine Abmilderung der Sperrklausel mehr gibt, wenn viele Direktmandate erzielt worden wären. Das könnte zum Beispiel dazu führen, dass die CSU auch dann nicht mehr im Deutschen Bundestag vertreten wäre, wenn sie zwar fast alle Wahlkreise in Bayern gewonnen hätte, aber bundesweit weniger als 5 % erreicht.
Das Bundesverfassungsgericht fordert den Gesetzgeber zu einer Neuregelung auf, ordnet aber gleichzeitig an, dass bis zu einer Neuregelung die Grundmandatsklausel in ihrer bisherigen Form anzuwenden ist. Das bedeutet für die Bundestagswahl 2025 wird die Regelung zur Grundmandatsklausel, die zur letzten Wahl 2021 galt, weiter gelten.
II. Unsere Position
Wir haben gegen die Wahlrechtsreform der Ampel geklagt, da wir sowohl das Verfahren der Zweitstimmendeckung als auch den Wegfall der Grundmandatsklausel für verfassungswidrig gehalten haben. Das Urteil gibt uns in Teilen recht.
Indem das neue Wahlrecht in einem wesentlichen Punkt als verfassungswidrig erklärt hat, ist der Versuch der Ampel, mit Hilfe des Wahlrechts politische Konkurrenten aus dem Parlament zu drängen, vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert.
Auch wenn das von uns ebenfalls angegriffene sog. „Zweitstimmendeckungsverfahren“ vom Bundesverfassungsgericht für vereinbar mit dem Grundgesetz angesehen wurde, bleiben wir bei unserer Auffassung, dass dieses Verfahren bei der nächsten Bundestagswahl zu einer unangemessenen Benachteiligung insbesondere von Wahlkreisbewerbern der CDU und der CSU führen wird. Das Wahlkreismandat wird nach dem neuen Ampel-Wahlrecht entwertet.
Aus meiner Sicht ist die Verkündung des Urteils ein schlechter Tag für unsere Demokratie. Die Verlierer des neuen Wahlrechts sind die Wählerinnen und Wähler.
Mit dem vorliegenden Gesetz schwächen die Ampelparteien das Mandat der direkt gewählten Wahlkreisabgeordneten und werten die Erststimme der Wählerinnen und Wähler entscheidend ab. Künftig können die Wählerinnen und Wähler nicht mehr darauf vertrauen, dass ihre Heimat durch einen Wahlkreisabgeordneten direkt im Bundestag vertreten sein wird. Denn es kommt nicht mehr auf die Mehrheit der Stimmen für den Direktabgeordneten an, sondern ob dieses Ergebnis auch von den Zweitstimmen gedeckt ist. Erst dann entscheidet sich, ob der Direktkandidat mit den meisten Stimmen in den Bundestag einziehen darf.
Das ist das „Verdienst“ von SPD, Grünen und FDP.
Unter dem Vorwand, die Zahl der Abgeordneten zu begrenzen, haben sie die Alternativvorschläge von CSU und CDU verworfen und ein Verfahren durchgedrückt, das dazu führen kann, dass ganze Regionen künftig keinen einzigen Abgeordneten mehr haben, der vor Ort verankert ist. Damit ist der direkte Dialog zwischen Bürgerinnen und Behörden, Unternehmen, Vereinen und Verbände mit ihrem heimatlichen Vertreter im Bundestag nicht mehr flächendeckend gewährleistet. Ich erlebe aber nahezu täglich, wie wichtig dieser Austausch in der politischen Arbeit ist. Auch durch den möglichst direkten Dialog mit den Menschen vor Ort weiß man als Abgeordnete, wo sie der Schuh tatsächlich drückt. Zugleich kann man Politik besser erklären. Dazu kommt, dass die Herausforderungen des Wahlkreises in Berlin besser vertreten werden können, wenn ein Abgeordneter die Gegebenheiten vor Ort kennt. Das ist künftig nicht mehr in allen Wahlkreisen gesichert.
Deshalb war der Tag der Urteilsverkündung ist es heute ein schlechter Tag für die Demokratie in Deutschland. Es ist zugleich eine Abkehr von den Gedanken der Gründungsväter und -mütter des Grundgesetzes, die aus den genannten Gründen flächendeckend vor Ort verankerte Bundestagsabgeordnete wollten.