Halbzeit für Susanne Hierl zwischen Familienrecht und Bahn-Problemen
Die Hälfte der Amtszeit im Bundestag ist um für Susanne Hierl (CSU), die Abgeordnete für den Wahlkreis Amberg. Sie spricht über den Unterschied zwischen Berlin und der Oberpfalz und darüber, warum Termine im Wahlkreis so wichtig sind.
von Wolfgang Ruppert
Amberg/Berlin. Susanne Hierl (CSU) ist 2021 zum ersten Mal in den Bundestag eingezogen, für den Wahlkreis Amberg. Für die 49-jährige Politikerin aus der Gemeinde Berg bei Neumarkt ist Halbzeit in der Legislaturperiode. Sie sagt im Gespräch mit Oberpfalz-Medien: „Das Familienrecht ist als mein Spezialgebiet gesetzt.“ Als Berichterstatterin für die Union hat sie im Rechtsausschuss mit dem geplanten Selbstbestimmungsgesetz zu tun. Das soll es künftig einfacher machen, den Geschlechtseintrag beim Standesamt dem gefühlten Geschlecht anzupassen. Seit eineinhalb Jahren setzt sie sich intensiv mit dem Thema auseinander und ertappt sich eigenen Aussagen zufolge immer wieder dabei, wie sie es bei öffentlichen Anlässen zur Sprache bringt.
Kritik an Gesetzentwurf
Angedacht war von der Ampel-Regierung, das Gesetz vor der Sommerpause zu verabschieden. Das ist nicht passiert. Rechtlich gibt es Hierl zufolge dabei einige Fallstricke, die sie kritisiert. Unklar nämlich sei, was zum Beispiel mit Quotenregelungen passiert. Hierl: „Es gibt Frauenbewegungen, die sagen, dass alles, wofür sie gekämpft haben, obsolet wird.“ Das geplante Gesetz habe Auswirkungen auf andere bestehende Gesetze, ziehe also einen sprichwörtlichen Rattenschwanz aus auf den ersten Blick nicht unmittelbar zusammenhängenden Bereichen nach sich. Hierl hat auch moralische Bedenken, was den Inhalt des Selbstbestimmungsgesetzes angeht. Es sieht vor, dass Minderjährige ab 14 Jahren die Änderungserklärung selbst abgeben können. Das braucht die Zustimmung der Sorgeberechtigten. Geben sie diese nicht, soll die Entscheidung auch vom Familiengericht getroffen werden können. „Bislang konnte das Familiengericht lediglich Entscheidungen auf einen Elternteil übertragen. Zum Beispiel, wenn sich die Eltern uneins sind, bei wem das Kind wohnen soll. Dass es nun auch selbst entscheiden soll, ist neu. “Bislang war es gesetzlich Pflicht, zwei unabhängige Gutachten vorzulegen, bevor die Änderung des Geschlechtseintrags möglich war. „Häufig kommen bei Kindern und Jugendlichen Krankheitsbilder hinzu. Vielleicht gibt es auch einen Hintergrund mit sexuellem Missbrauch“, sagt Hierl. „Wir brauchen bei den Jugendlichen diese Gutachten weiter. Wir brauchen eine ärztliche Begleitung, nicht weil ich sage, die sind krank, sondern einfach, um ihnen die Chance zu geben, zu reflektieren, ob es wirklich das ist, was sie so umtreibt. Wir brauchen Lösungen für die Menschen, die betroffen sind. Wir haben aber auch eine politische Fürsorgepflicht für die, bei denen die Ursache für ihren Leidensweg vielleicht eine andere ist.“ Für ihre Position hat Hierl Gegenwind bekommen. In Online-Veranstaltungen hat sie die aktuelle Rechtslage, das geplante Gesetz und die Kritikpunkte daran vorgestellt. „Ich bin dafür heftig beschimpft worden als transphob, als Nazi oder Faschistin. Das macht die Diskussion sehr schwierig, weil ich das Gefühl habe, dass es nicht mehr möglich ist, Meinungen auszutauschen.“ Die Beleidigungen und Anfeindungen seien nicht während der Veranstaltung gekommen, sondern im Nachhinein auf den Sozialen Medien.
Als Generalistin gefragt
Auch vor diesem Hintergrund schätzt Hierl den Unterschied zwischen Bundestag und Wahlkreis. „Berlin ist Blase. Wir drehen uns um uns selber. Darum ist es so gut, dass es den Wahlkreis gibt, weil ich da das normale Leben treffe.“ In Berlin sei sie Spezialistin für ihre Themen, im Wahlkreis müsse sie Generalistin sein. „Ich habe Leute, die sagen, ich bekomme den Kita-Platz nicht, den ich möchte. Oder: Ich habe ein Problem mit dem BAföG. Dann gibt es Bürgermeister, die sagen, sie wollen ein Windrad bauen, haben damit aber Schwierigkeiten.“ Sie schreibe Briefe, stelle Kontakte her oder suche nach Lösungen. „Natürlich geht das auch nicht immer.“
Viel vor, aber wenig Zeit
Es gibt laut Hierl noch einige Themen, die sie in der zweiten Hälfte der Wahlperiode gerne angehen würde. Wichtig wären ihr die Bereiche Pflege und Bau. Besonders interessant findet sie das Thema Ausschreibungen und Bürokratieabbau. Auf dieses Problem hätten sie ihre Gesprächspartner aus Wirtschaft und den Kommunen im Wahlkreis aufmerksam gemacht. „Das ist ein undurchdringliches Dickicht. Da würde ich gerne mal schauen, ob es da was gibt, was man ändern kann.“ Während die Preise durch die Inflation gestiegen sind, seien die finanziellen Grenzen, ab denen für ein Projekt eine europaweite Ausschreibung zur Pflicht wird, niedriger geworden. „Das macht es alles nicht einfacher.“ Bei kleineren Projekten, für die das gar nicht vorgesehen war, sei man mittlerweile ziemlich schnell da, dass die europaweite Ausschreibung greift. „Es heißt immer, es geht um das wirtschaftlichste Angebot. Das wird ganz oft als das günstigste ausgelegt.“ Andere Kriterien, die insbesondere den Klimaschutz berücksichtigen, fielen in der Bundesrepublik häufig nicht ins Gewicht. „Wir karren die Dinge um die halbe Welt, weil wir sagen, das ist günstiger. Dann reden wir aber von Umweltschutz, von Klima und CO2-Bilanz. Eigentlich müsste man so was in die Rechnung mit reinnehmen. Dann nämlich könnte man zeigen, welche Sachen uns wichtig sind.“
Lösung für Elektrifizierung
Schließlich sind Ausbau und Elektrifizierung der „Metropolenbahn“ von Nürnberg über Amberg und Schwandorf bis an die tschechische Grenze ein Thema, mit dem Hierl im Wahlkreis immer wieder zu tun hat. Es gab Gesprächsrunden mit der Bahn, den Gemeinden und den Bürgerinitiativen, bei denen Skepsis herrschte, ob eine Freileitungsstromtrasse und Umweltschutz zusammengehen. Hierl zufolge gibt es da derzeit wenig Neues. Allerdings ist sie der Meinung, dass es eine Lösung braucht, denn in allen Fällen sei die Elektrifizierung umweltfreundlicher als weiterhin Dieselloks auf der Strecke.
Quelle: Amberger Zeitung 14.08.2023