Interview Neumarkter Tagblatt – 1 Jahr im Bundestag

28. November 2022

Frau Hierl, Sie sitzen seit  einem Jahr im Bundestag. Wie ist es, wenn Sie Ihren Platz im Reichstag einnehmen und auf den großen Bundesadler schauen?

Susanne Hierl: Es ist sicher mehr Routine als vor einem Jahr. Aber ich erinnere mich noch genau, als ich das erste Mal dort Platz genommen habe, hatte ich Gänsehaut. Es ist immer noch etwas Besonderes. 

Wie hat sich Ihr Leben verändert?

Hierl: Aus meinem früheren Job bin ich viel Arbeit gewohnt. Das war keine Umstellung. Neu ist für mich, dass der Zeitplan in Berlin starrer ist als in meinem früheren Beruf. Fast jede Woche ist gleich getaktet durch die unterschiedlichen Sitzungen und Ausschüsse. Die eine Hälfte meiner Zeit bin ich in Berlin, die andere Hälfte  verbringe ich im Wahlkreis.

Und wie hat das Ihr privates Leben verändert?

Hierl: Man muss lernen, sich in die Taktung  einzufinden und Lücken fürs Private zu nutzen. Klassische Wochenenden gibt es nicht mehr.

Zumal – um zum Politischen zurückzukehren –  Ihre noch junge Amtszeit mit einer Häufung außergewöhnlicher  Krisen zusammenfällt.

Hierl: Die Tage von 24. bis 27. Februar mit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine sind mir prägend in Erinnerung geblieben. Plötzlich sitzt man in der  Fraktionssitzung und spricht über Krieg vor der eigenen Haustür sowie Waffenlieferungen. Damit geht jemand, der schon länger dabei  oder Verteidigungsexperte ist, möglicherweise anders um. Ich habe anfangs  geschluckt und mir gedacht: ,Was sind das für Themen…‘ Aber ich habe einen Weg für mich gefunden, damit umzugehen.

Es geht nicht nur um Krieg und Waffen, sondern auch um Energiekrise, Klimawandel und mit allem um  viele Milliarden Euro. Schafft Deutschland das?

Hierl: Jede dieser Herausforderungen für sich genommen würde schon reichen, dass wir in Probleme kommen. Jetzt kommt auch noch alles geballt. Aber ich bin beim Blick auf frühere Krisen, und wie wir sie gemeistert haben, zuversichtlich, dass wir da rauskommen.

Ohne Schmerzen wird das nicht gehen.

Hierl: Ich glaube schon, dass wir alle dabei Abstriche machen müssen. Nicht alles ist über Geld abfederbar. Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir ein Land mit einer starken Wirtschaft sind. Wir halten es aus, einige Zeit Schulden zu machen –  aber auch nicht ewig. Wir müssen daher die Rahmenbedingungen für die Unternehmen im Blick behalten. Aktuell geht es mir da beispielsweise bei der Entlastung in der Energiekrise zu langsam.

Der frühere SPD-Politiker Franz Müntefering hat mal gesagt: „Opposition ist Mist“. Ist es wirklich so schlimm?

Hierl: Scherzhaft gesagt: Ich kenne es nicht anders. Für uns Neue ist alles neu, egal ob in der Regierung oder in der Opposition. Aber klar, es hat seinen Charme in der Regierung zu sein. Als Opposition haben wir allerdings auch eine wichtige Aufgabe, die es zu erfüllen gilt: Wir müssen die Regierung kontrollieren.

Haben Sie  als Oppositions-Abgeordnete weniger Möglichkeiten als Ihr Vorgänger Alois Karl? Während dessen Amtszeit war die CDU/CSU immer an der Macht.

Hierl:  Ich sehe schon, dass man auch in der Opposition Einfluss nehmen kann. Was ich aber auch gelernt habe: Es dauert und man muss laut sein.

Kontakte schaden sicherlich ebenfalls nicht. Wie etabliert sind  Sie nach einem Jahr im politischen Berlin.

Hierl: Es braucht Zeit, um Kontakte und Netzwerke zu knüpfen. Man muss ein Gespür entwickeln, wie das hier läuft. Es dauert, bis man den Überblick hat.

Konkret gefragt: Was konnten Sie für den  Wahlkreis bewirken?

Hierl: Als Beispiel will ich die kleinen Wasserkraftwerke nennen, die es besonders im Dietfurter und Amberger Bereich gibt.  Robert Habeck hatte vor, deren Förderung zu beenden. Dazu haben sich Bürger bei mir gemeldet. Ich habe ihre Argumente an das Ministerium herangetragen und der Förderstopp wurde abgewendet. Wenn man sich dahinterklemmt, merkt man, dass man als Abgeordnete etwas bewegen kann. Auch meist schneller als Bürger. Aber klar ist auch, dass man als einzelner Abgeordneter nicht alleine Berge versetzen kann.

Mit Nils Gründer (FDP) ist vor Kurzem ein zweiter Abgeordneter aus dem Landkreis in den Bundestag nachgerückt. Wie ist das Verhältnis?

Hierl: Wenn wir uns über den Weg laufen, grüßen wir uns. Wir haben ein völlig normales Verhältnis. Aber in Berlin hat man wenig Kontakt mit Abgeordneten, die in anderen Ausschüssen sitzen, an anderen Themen arbeiten oder einer anderen Fraktion angehören. Jeder ist stark in seinem Zeitplan eingetaktet.

Können Sie beide sich bei Themen für den Landkreis zusammentun oder überwiegt die Parteiräson?

Hierl: Klar, auf Bundesebene spielt Parteipolitik eine größere Rolle als beispielsweise im Gemeinderat. Aber ich denke schon, dass eine Zusammenarbeit bei Themen des Landkreises möglich wäre.

Wenn man sich in den Themen einig ist. Beim B299-Ausbau haben sie beide durchaus geteilte Ansichten. Sie sind dafür, Gründer  steht in Teilen kritisch dazu. Warum sind Sie für den  Ausbau bei  Neumarkt?

Hierl: Man muss sich zunächst klar machen, dass es zwar eine Bundesstraße ist und der Ausbau durch einen Topf aus Bundesmitteln finanziert wird. Aber Planung und Umsetzung liegen beim Freistaat. Zudem gibt es einen Beschluss des Stadtrats pro Ausbau. Das respektiere ich. Ich halte es für vermessen, von außen zu kommen, und zu sagen, dass ich es besser wüsste als das politische Gremium vor Ort.

Andere Abgeordnete wie Gründer, Stefan Schmidt (Grüne) und Uli  Grötsch (SPD)  haben sich mit den Bürgerinitiativen getroffen und ihre Unterstützung zugesagt.

Hierl: Ich habe mich auch mit der Bürgerinitiative getroffen, aber nicht öffentlichkeitswirksam mit einem großen Schild auf dem Acker. Mir ist wichtig, dass die Rittershofer Kreuzung sicherer wird. Dort gab es mehrere tödliche Unfälle.

Kritiker stören sich aber vor allem am Ausbau auf drei Spuren. Sie führen an, dass es dies  angesichts der notwendigen Verkehrswende nicht brauche.

Hierl: Es wird die Mobilitätswende geben, aber wir werden gerade im ländlichen Raum weiter individuellen Verkehr haben. Zudem sitzen entlang der Bundesstraße viele Unternehmen. Wenn wir von wirtschaftlicher Entwicklung und dem Ausbau von Wohngebieten sprechen, braucht es auch die notwendige Infrastruktur.

Das Interview führte Wolfgang Endlein. Quelle: Neumarkter Tagblatt, 26.11.2022, S. 23


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